
1. Erzähl uns bitte etwas über dich: Wer bist du und wie bist du zur Fotografie gekommen?
Mein Name ist Markus Reinke, 1977 geboren und freiberuflicher Fotograf und im Sinne der Künstlersozialkasse Kunstfotograf. Die Fotografie hat mich in ihren Bann gezogen, als ich im Alter von 10 Jahren das erste Mal eine Kamera für mich alleine in der Hand hielt. Damals bekam ich von meinen Eltern den Fotoapparat mit auf Klassenfahrt, 5 Tage, ein Film, 24 Bilder, nur für mich und nur ich durfte entscheiden, was ich fotografiere. Im Grunde habe ich seitdem nicht mehr aufgehört zu fotografieren.
2. Was begeistert dich an deinem Beruf? Gibt es ein Projekt oder Erlebnis, auf das du besonders stolz bist?
Mich begeistert so vieles an meinem Beruf, ich bin Fotograf aus und mit Leidenschaft, für mich hat Fotografie immer noch etwas Magisches! Jedes Bild, jede Aufnahme ist eine Zeitmaschine, eine Reise zurück an einen längst vergangenen Moment oder zu einem Menschen, der unser Leben begleitet hat oder immer noch begleitet. Jedes Bild enthält eine Geschichte, diese eine Aufnahme, die so viel Kraft in sich trägt, dass sie in unserem Kopf ganze Filme erzeugt und komplette Geschichten erzählt. Aus diesem Grund ist Fotografie immer deutlich stärker, als jeder Film.
3. Welche Schlüsselmomente oder Erfahrungen haben deine Laufbahn besonders geprägt? Was waren dabei deine wichtigsten Learnings?
Die Gründung meiner eigenen Fotoschule, in der ich mein Wissen, meine Erfahrungen weitergeben kann und in einigen Fällen miterleben darf, wie aus ehemaligen Schülern, erfolgreiche Fotografen werden. Meine wichtigsten Learnings, auch wenn Fotografie eine kreative Kunst ist: Wer dauerhaft erfolgreich sein möchte und auch durch harte Phasen kommen möchte, muss sich einen entsprechenden Kaufmännischen Background zulegen.
4. Gab es auf deinem Weg Herausforderungen, die dich zweifeln lassen haben? Wie bist du damit umgegangen?
Ganz klar ja, die gab es immer mal wieder und im Grunde gibt es nur die Möglichkeit, sich diesen Herausforderungen bestmöglich mit aller Kraft zu stellen. Gerade die Corona-Jahre, die über einen langen Zeitraum ein de facto Berufsverbot bedeuteten und viele an die finanziellen Grenzen des Möglichen gebracht haben, waren mit Abstand die größte Herausforderung!
5. Welche Aus- oder Weiterbildungswege würdest du jungen Menschen empfehlen, die in der Fotografie Fuß fassen wollen? Und warum?
Das ist schwierig zu beantworten, denn es gibt verschiedene Ansätze. Ich halte die klassische Handwerksausbildung in vielen Fällen für sehr gut und für eine gute Basis, allerdings ist sie sehr stark auf die Sicht des Ausbildungsbetriebs beschränkt und wird dem aktuellen Markt daher nicht immer gerecht. Dennoch ist sie für die meisten Fotograf:innen ein guter Start, die klare Struktur, das Wissen um eine anerkannte Abschlussprüfung und auch die Notwendigkeit, sich in einem Studio zurecht zu finden und eben nicht ganz frei in seiner Arbeit zu sein, halte ich für eine Ausbildung für sinnvoll!
Natürlich gibt es auch Menschen, die autodidakt gute Fähigkeiten entwickeln und erfolgreich sein können, ich habe aber in den letzten Jahren zu viele, die ohne eine Ausbildung an den Markt getreten sind, nach 4 Jahren wieder verschwinden und scheitern sehen.
Die Ausbildung an einer öffentlichen Hochschule für Künste, ist sehr gut für alle, die die Fotografie aus einer sehr künstlerischen und freien Sicht angehen wollen. Allerdings zeigt sich die Schwäche dieser Ausbildung häufig darin, dass es am kaufmännischen Wissen, der Monetarisierung von Leistungen, Kundenakquise und auch an den Möglichkeiten einer Auftragsumsetzung nach Kundenvorgabe fehlt.
Es gibt am Markt viele Online-Schulen. Da ich selbst einmal für eine solche tätig war, halte ich nicht viel von der reinen Online-Schulung. Fotografie braucht Praxis, Fotografie braucht den Umgang miteinander, und die Ausbildung braucht jemanden, der das Ganze vor Ort begleitet. Insofern kann ich allen, die eine schulische Akademieausbildung machen wollen, ohne den klassischen Weg zu gehen, nur empfehlen, sich immer eine Akademie zu suchen, die neben den Online-Kursen auch einen großen Anteil an begleiteten und betreuten Vor-Ort-Angeboten hat.
6. Welche typischen Stolpersteine siehst du bei Nachwuchsfotografen und wie kann man sie am besten vermeiden?
Man muss nicht jeden Stolperstein vermeiden. Wer laufen lernt, lernt zunächst zu fallen und wieder aufzustehen. Typische Stolpersteine sind Fehleinschätzungen des Marktes, der Konkurrenz und manchmal das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten sowie der Abwehrmaßnahmen der Wettbewerber, wenn sie merken, dass sie Kunden verlieren. Der größte Fehler, den Berufseinsteiger machen können, ist, ohne kaufmännisches Wissen zu starten, Preise zu raten, sich nur am Wettbewerb zu orientieren und keine saubere Kalkulation der eigenen Kosten, Zeiten und Preise zu machen! Das geht mittelfristig schief!
7. Wie schätzt du die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf KI ein und was bedeutet das für die Fotografie? Wo siehst du zukünftig die größten Chancen und Herausforderungen?
KI wird in einigen Bereichen der „industriellen Gebrauchsfotografie“ den Markt radikal verändern – und hat es bereits getan. Ich sehe immer mehr KI-generierte oder CGI-basierte Fotografien, wenn es um Produktfotografie, Werbung, Marketing und auch Food-Fotografie geht. Hier bricht ein kompletter Markt weg und wird sich vollständig verändern müssen. Auch in der Modefotografie verändert sich einiges durch KI, sei es durch KI-generierte Umgebungen oder sogar KI-Modelle.
Allerdings liegt hier auch die Möglichkeit, sich mit echten Bildern, echten Menschen und echten Emotionen vom Einheitsbrei der KI abzuheben! Fotografie muss lernen, sich mit individuellen Ideen, Andersartigkeit und künstlerischem Gespür von der KI abzugrenzen. Derzeit versuchen gerade jüngere Fotografen, die Mittel der KI zu nutzen, um sich am Markt zu behaupten. Dadurch schulen sie die KI weiter und vereinheitlichen die Bilder. Die Bilderflut auf Instagram ist an Banalität kaum noch zu überbieten.
Die KI als Werkzeug zu begreifen und zu nutzen, ist nicht falsch, aber es braucht Ideen und Intentionen für gute Fotografien – es braucht echte Geschichten.
8. Welche Tipps hast du für junge Menschen, die sich in der Fotografie weiterentwickeln möchten?
Immer weiter lernen – Fotografie ist gut 200 Jahre alt und entwickelt sich ständig weiter. Man lernt Fotografie nicht von YouTube, nicht aus Tutorials und nicht alleine. Wer fotografieren lernen will, muss sehen lernen, seine Bilder besprechen, sich Kritik anhören und auch vergleichen. Ich erlebe in meinen Kursen immer wieder, dass sich junge Menschen damit schwertun. Lässt man sich aber darauf ein, bringt einen das weiter. Und wenn man mit fünf Leuten loszieht, mit einer klaren Aufgabe und einer konkreten Motivvorgabe, erhält man am Ende fünf unterschiedliche Bilder. Das erweitert den Blick auf die eigenen Fotos und schafft Lernprozesse.
9. Gibt es noch eine Botschaft oder einen Gedanken, den du angehenden Fotografen mit auf den Weg geben möchtest?
Traut euch, gegen den Trend zu gehen! Die Zukunft liegt nicht in der Einheitlichkeit, sondern in der Individualität der Fotografie. Computer folgen Algorithmen, Menschen haben Ideen – und die Idee ist die Grundlage der Kreativität. Es geht nicht um Likes. Es geht nicht um Egostreichelei in Social-Media-Kanälen. Es geht um Geschichten, Emotionen und Momente.